Haltestelle Wiesham - Es war einmal ...

Strecke: Grafing Bf. — Ebersberg — Wasserburg Stadt

Eröffnung: Grafing — Ebersberg: 12.11.1899; Ebersberg — Wasserburg Bf.: 1.10.1905; Wasserburg Bf. — Wasserburg Stadt: 24.12.1900.

Länge: 29,1 km

Betriebsstellen: Grafing Stadt (km 2,9); Ebersberg (km 5,9); Steinhöring (km 12,0); Tulling (km 14,2); Forsting (km 16,7); Brandstätt (km 19,3); Edling (km 22,6); Wasserburg Bahnhof (km 24,7); Wasserburg Stadt (km 29,1).

Stillgelegte Betriebsstellen: Wiesham (km 3,6); Oberndorf (km 9,1); Neuhausen (km 10,3).

Bahnhofsgebände: Grafing Stadt, Ebersberg, Wasserburg Bf., Wasserburg Stadt

Bemerkungen: Streckenabschnitt Wasserburg Bf. Wasserburg Stadt seit März 1987 aufgrund eines Dammrutsches gesperrt; Stillegung folgt.

Der Abschnitt Grafing Bahnhof — Ebersberg gehört zur S-Bahn-Linie 4 der Münchner S-Bahn und ist elektrifiziert. Im Gegensatz zu dessen sicheren Fortbestand steht der Abschnitt Ebersberg — Wasserburg, dessen Ende bereits besiegelt ist. Abgesehen von der Sperrung des östlichen Abschnitts wegen eines Dammrutsches ist die "Angebotsumstellung" in dem zwischen der DB und dem Land Bayern abgeschlossenen Vertrag für 1987/88 vorgesehen. Schon seit 1968 bekundet die DB, sie wolle die heute als KBS 942 geführte Strecke aus Rationalisierungsgründen stillegen, konkrete Maßnahmen erfolgten jedoch bis 1983 nicht. Zum Sommerfahrplan 1983 holte man diese nach und richtete einen umfangreichen Bus-Parallelverkehr ein, mit dem getestet werden sollte, welchem der beiden Verkehrsmittel dem nunmehr bereits seltener verkehrenden Schienenbus oder dem fast im Taktverkehr eingesetzten Bus die Fahrgäste den Vorzug geben würden. Um bei der "Entscheidungsfindung" behilflich zu sein, wurde der RVO-Bus (im Gegensatz zum Zug) bis Tulling in den weitaus günstigeren MVV-Tarif integriert. Die Annahme des neuen Bus-Angebots vollzog sich jedoch recht langsam, erst mit der Kürzung weiterer Züge waren die Busse besser ausgelastet. Und so reicht heute dort, wo einst fünfteilige Schienenbusse verkehrten, ein einteiliger 798 zur Bewältigung des Fahrgastaufkommens aus. Die Strecke gehört zwischen Ebersberg und Wasserburg zur Liste ‚1a‘ der im Vertrag mit dem Land Bayern genannten Nebenbahnen, was die Einstellung des Personenverkehrs zum Herbst 1987 bzw. Frühjahr 1988 bedeutet. Daß auf dem reizvollsten Abschnitt der Strecke, zwischen Wasserburg Bahnhof und Wasserburg Stadt, bereits seit März 1987 keine Züge mehr verkehren, hat einen anderen Grund: Am Rosenmontag kam es aufgrund eines Unwetters und eines durch einen entwurzelten Baum angestauten Baches etwa 1,5 km oberhalb des Endbahnhofs zu einem Dammrutsch, wobei auf etwa 40 m der Oberbau weggespült wurde. Die zum Zeitpunkt des Unglückes noch in Wasserburg Stadt abgestellten Schienenbusse (1 VT, 1 VB und 1 VS) wurden etwa einen Monat später per "Culemeyer" auf dem Straßenweg nach Wasserburg Bahnhof gebracht, die Strecke ist seitdem gesperrt und soll nicht wieder saniert werden.

Betrieb:

Schon zu Beginn der 60er Jahre erfolgte die Ablösung der Dampfloks (Baureihe 64) durch die V 100 und Schienenbusse der Reihe VT 98, die bis heute die Hauptlast des Verkehrs tragen. Der gesamte Personenverkehr wird derzeit mit Rosenheimer 798 abgewickelt. Im recht schwachen Güterverkehr kommen Mühldorfer 211 zum Einsatz, die montags, mittwochs und freitags in Ebersberg wenden; lediglich dienstags und donnerstags geht die Fahrt (bei Bedarf) weiter nach Forsting, wobei die Fahrzeiten wegen der Zugkreuzung mit N 4948/51 immer recht genau eingehalten werden:

Üg 68293 Grafing Bf. 8.35 — 9.04 Forsting

Üg 68294 Forsting 9.29 — 10.12 Grafing Bf.

Der Abschnitt zwischen Forsting und Wasserburg Bahnhof wird planmäßig nicht bedient, Wasserburg Bahnhof wird über Rosenheim und die KBS 941 angeschlossen.

Streckenverlauf:

Die Strecke verläßt den Bhf. Grafing Bahnhof recht reizvoll in nordöstlicher Richtung und läuft dann frei und ohne besondere Motive auf Grafing Stadt zu; hier gibt es noch das alte Bahnhofsgebäude und verschiedene Gleisanschlüsse (‚Baywa‘, ‚Kiermeier‘). Teils auf einem mittelhohen Damm, teils ebenerdig geht es frei oder mit Büschen bestanden sehr kurvenreich bis Ebersberg, wo mit dem Fahrdraht auch der Münchner S-Bahn-Verkehr endet. Der an sich hübsche Bahnhof ist durch die hohen Bahnsteige recht verunziert. Die Wasserburger Strecke beginnt sehr reizvoll: In einer 180°-Kehre am Friedhof von Ebersberg vorbei windet sich das Gleis bergab, dann in einem Einschnitt, an den sich ein hoher Damm anschließt und in einer weiten Kurve am Waldrand entlang. Nach einer Baumreihe geht es durch Felder und an einem kurzen Waldstück vorbei bis zum ehemaligen Hp. Oberndorf. Eine bei Ebersberg auf einem Hügel stehende Eiche markiert einen guten Fotostandpunkt, der einen guten Blick auf den weiten Bogen bieten (ca. 10 Minuten Fußweg von Ebersberg). Oberndorf besitzt noch ein sehr selten genutztes Stumpfgleis, Aufnahmen mit der Kirche des Ortes sind möglich. Flach und vollkommen gerade geht es durch Felder auf Neuhausen zu (ehemaliger Haltepunkt), nennenswerte Motive gibt es hier nicht. Eine Änderung des Landschaftsbildes ist auch auf den folgenden Kilometern über Steinhöring (reizloser Haltepunkt, dann außerhalb des Ortes Motiv mit Ortsbild und Kirche) bis Tulling zu verzeichnen, lediglich auf eine etwa auf halber Strecke liegende Waldausfahrt für Züge in Richtung Wasserburg sei hingewiesen. In Tulling, dessen Haltepunkt recht nett gelegen ist, findet sich in einem Obstgarten eine Fotostelle mit Kirchturm im Hintergrund. Völlig frei und relativ gerade läuft die Trasse nun parallel zur Straße bis Forsting, dessen schönes hölzernes Agenturgebäude 1985 abgerissen wurde. Ein mächtiges Lagerhaus der ‚Fa. Scharrer‘ und eine Autowerkstatt bestimmen das heute reizlose Bild. Die Bahn durchquert nun — direkt neben der Bundesstraße — ein ausgedehntes Waldstück, setzt sich dann von der Straße ab und verläßt den Wald erst wieder kurz vor Brandstätt. Der Haltepunkt selbst ist nicht besonders reizvoll. Zunächst bleibt der Gleiskörper frei, ehe er wieder im Wald und in einem kleinen Einschnitt verschwindet. Nach einer Straßenbrücke folgt der Hp. Edling, der ein altes Baywa-Lagerhaus aufweist. Die Ortsdurchfahrt mit Brücke und Wasserturm ist fotografisch gut umzusetzen. Ohne nennenswerte Besonderheiten zieht sich die Strecke nun auf den in Reitmering gelegenen Bahnhof Wasserburg Bahnhof zu, in dessen recht umfangreiche und mit Formsignalen gesicherte Gleisanlagen sie in einem großen Bogen einläuft. Bestimmt wird das Bild von der Großmolkerei ‚Meggle‘, die von Rosenheim aus per Bahn bedient wird und über umfangreiche Anlagen verfügt; auf dem Firmengelände kommt eine ehemalige DB-Köf II zum Einsatz, die blau lackiert ist. Der Bahnhof Wasserburg Bahnhof besitzt vier Bahnsteiggleise, ein Bahnsteig weist noch ein hübsches Bahnsteigdach auf. Das fotogene Empfangsgebäude (besonders nachmittags/abends mit sehr schönem Licht) ist noch besetzt und liegt ca. 4 km vom Ort Wasserburg entfernt. Um diese Distanz zu überbrücken, verkehren heute RVO-Busse; die ehemals weiterführende Strecke ist nämlich seit März 1987 aufgrund eines Dammrutsches gesperrt und wird nicht wieder in Betrieb genommen. Die Züge mußten hier Kopf machen und passierten das Gelände der Molkerei in einer Linkskurve; die Strecke fällt von hier an steil ab und taucht — vorbei an Gabersee — in ein Waldstück ein, in dem sie (von einigen Lichtungen abgesehen) auf den nun folgenden ca. 1,2 km meist verborgen bleibt. Die letzten 2 km bis zum ehemaligen Endbahnhof Wasserburg Stadt waren die schönsten im ganzen Streckenverlauf der KBS 942: Sie führen direkt am Ufer des Inn entlang, vor dessen Staustufe das ruhige Wasser oft schöne Spiegelungen erlaubte. Von einem parallel zur Strecke fahrenden Weg aus hat man zahlreiche Möglichkeiten, die Strecke mit der südländisch wirkenden und sehr schönen Burgund Stadtkulisse von Wasserburg und mit dem Inn aufzunehmen. Die Stadt Wasserburg, die in Reiseführern als das "Venedig Bayerns" beschrieben wird, erreicht die Bahn durch einen kurzen Tunnel, mit dem die Bundesstraße unterquert wird (Portale mit Zinnen). Direkt nach dem nur 15m langen, in einer Kurve liegenden Tunnel beginnen die verbliebenen Gleisanlagen des Wasserburger Stadtbahnhofs. Nach starken Rückbauten ist inzwischen auch vom ehemaligen Fachwerklokschuppen nichts mehr übriggeblieben; erwähnenswert ist das Empfangsgebäude, das einen schönen Mitteldurchgang mit gewölbten Bögen besitzt.


52 8079 am 28.03.98 auf der Fahrt von Augsburg nach Salzburg beim Wasserfassen in Grafing Bahnhof.
Foto: Christoph Kefes